Liebe Anne,
Du hast so wunderbar geschrieben, dass ich meinen Makronenneid direkt vergesse. Ich habe auch gerade gebacken, Mürbeteigplätzchen, leicht angesengt. Ich kann es einfach nicht. Das Kind sagt, die Kekse seien „relativ lecker“. Wie höflich.
Leicht fällt mir hingegen, Deine Frage zu beantworten, welchen Duft ich in Zeiten von Corona am meisten vermisse.
Theaterduft.
Und dabei meine ich nicht den Duft auf der Bühne und in den Kulissen, den Geruch nach Puder und Bohnerwachs, Trockeneis und Lampenfieber.
Ich habe den Theaterduft im Sinn, der mir als Zuschauerin in die Nase steigt, den Duft von Parfums und alten Samtbezügen, durchzogen von einer Note freudiger Gespanntheit und regenfeuchten schweren Mänteln, die sorgsam in Pflegschaft genommen an der Garderobe trocknen.
Mir fehlt das Theater und das ganze Drumherum: das Fertigmachen, ein schönes Kleid. Das Öffnen der Tür zum Empfangsbereich, das Stimmengewirr, das sich zu einem Murmeln, dann einem Flüstern, dann Stille senkt, wenn die Lichter im Zuschauerraum erlöschen. In der Pause das Nebenstück, das Beobachten der Theaterbesucher bei einem Glas Sekt, hier die lässige Jeansvariante, dort die große Robe, und ob das Collier wohl echt ist? Kinder, herausgeputzt, Ballettschüler?
Du siehst, es ist nicht nur der Duft. Es sind auch die Geräusche.
Das Rascheln von Organzastoff. Unterdrücktes Husten. Der Herr drei Plätze weiter schnarcht sich durch die zweite Halbzeit, Operette war noch nie so seins, aber ist halt im Abo mit drin, was soll man machen.
Theaterluft.
Gehst Du mit mir aus, wenn sich die Vorhänge endlich wieder öffnen?
Ich bin für alles offen, von Impro bis Oper.
Nur bitte nichts, was Corona thematisiert.
Von dem Theater hab ich mehr als genug.
Und nun zieh ich mein feinstes Kleid an und geh zum Supermarkt, Kekse kaufen. Das gute Stück muss an die frische Luft, bevor die Motten kommen.
Alles Liebe
Deine Anne