Liebe Anne,
dieser Brief ist der erste dieses Blogs und vielleicht eine kleine Überraschung. So lange schon existiert unser Wunsch nach einem gemeinsamen Briefblogprojekt, dass – nachdem Du die Domain und das wunderbare Theme eingerichtet hast – unser Blog endlich mit Leben gefüllt werden soll! Werden wir politisch werden? Modisch? Karrieristisch? Werden wir die neuesten Hashtags aufgreifen oder aber Backrezepte austauschen? Wer weiß das schon! Platz ist für alles und lesen darf jeder!
Mal sehen, wohin uns Briefe tragen, die nicht ausgetragen werden müssen.
Ich sitze am Esstisch mit einer Tasse Tee. Beim Aufbrühen sind diese Bilder in mir aufgestiegen, oh diese Bilder, kennst Du sie?
Frauen, die Tassen halten.
Ein Portrait einer Politikerin in einer Zeitschrift? – Die Politikerin hält eine Tasse.
Eine Gründerin stellt sich auf ihrem Blog vor? („Über Mareile“) – Mareile hält eine Tasse.
Die Werbung einer Familienversicherung? – Die Familienversicherte hält eine Tasse.
Optional weht im Hintergrund ein heller Vorhang ins Bild hinein. Die Protagonistin trägt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen muckeligen Wollpulli in der Farbe des Vorhangs. Sie sitzt im Schneidersitz auf einem Sofa im näheren Farbspektrum des Vorhangs oder lehnt in einem Türrahmen. Dabei lächelt sie beseelt oder schaut verträumt ins Off.
Manchmal schaut sie auch in ihre Tasse.
Meine Frage: Was sieht sie da? Und überhaupt: Warum?
Was ist die Botschaft einer Frau, die eine Tasse hält?
Hat sie Durst? Hat sie kalte Hände? Oder… Mir gehen die Ideen aus. Muss sie sich irgendwo festhalten?
Ich verstehe es nicht.
Es sieht einfach wahnsinnig langweilig aus.
Zepter und Apfel – das wäre interessant!
Ein kleiner Kaiman – da würde ich weiterlesen!
Ein Kitesurfboard – hui!
Oder eine Bundestagsrede!
Aber eine Tasse ist eine ziemlich trübe Angelegenheit. Eine Tasse als gemeinsamer weiblicher Nenner?
Empört bin ich
Deine Anne
P.S.: Männer halten übrigens nie Tassen.* Die sitzen breitbeinig leicht vorgeneigt mit auf den Oberschenkeln gestützten Ellenbogen auf Bürostühlen und schauen gewinnend in die Kamera. Dezent andere Message.
* (Ausnahme: Clooney. Der darf das.)