Brief No. 13 – Schwarz oder Weiß?

Liebe Anne,

vielen Dank für Deinen Brief, den ich sehr gern gelesen habe. Er brachte mich zum Nachdenken. Ich verfiel in Grübelhaltung. Drehte und wendete Gedanken über das Entweder-Oder-Oder-Oder-Oder-Oder im Konsum, in dem der Kunde, das Geld willig im Anschlag, vor einem Kilometer Ladenzeile voller Frühstücksflocken steht und eine Auswahl treffen soll. Und der, wenn er in der Unübersichtlichkeit des Angebots zu keiner Entscheidungsfindung gelangt, seine persönliche, handverlesene Müslimischung online ordern kann.

Dinkel, Roggen, Rosinen und Himbeeren? Oder doch Cranberries?*

Äußere Insignien von Individualität sind heute nicht nur willkommen, sondern gefordert – Instagram! – aber die Meinungsbildung soll besonders online bitteschön hübsch übersichtlich ausfallen. Es ist, wie Du es beschreibst: Daumen hoch, Daumen runter. Schnell geklickt, und weiter gehts.

Ist der Grund für fehlende Nuancen hier, dass ein personalisiertes Müsli weniger gefährlich ist als eine persönliche Meinung?

Sollten nicht unsere Erfahrungen, die wir sammeln, wenn wir über das unübersichtliche Meer der Möglichkeiten navigieren und Reize über Reize filtern, unser Gehirn auf das Erkennen und Anerkennen von Unterschieden und Feinheiten prägen, die auszumachen in den täglichen Entscheidungsprozessen heute eine so wichtige Rolle spielen?

Oder ist es genau andersherum? Läuft unser Hirn im schnelllebigen Alltag so hochtourig, dass wir nach dem Überblickbaren lechzen; nach dem, was klar zuordbar ist und in bekannte Kategorien fällt? Fallen wir aus Überforderung oder aus Bequemlichkeit auf Schwarz-Weißmalerei zurück?

Malen wir hier gar selbst Schwarz-Weiß? Finden wir Nuancen, wenn wir ein bisschen buddeln? Zum Beispiel in persönlichen Blogs und spezialisierten Foren, die natürlich nicht den Traffic und Einfluss generieren, wie es Mainstream-Plattformen vermögen?

Ich bin eindeutig pro Nuancen. Und ich freue mich, wenn es uns in unseren Briefen gelingt, viele unterschiedliche Schattierungen zu zeigen. Und wenn unsere Leser dazu in ihren Kommentaren beitragen, freuen wir uns umso mehr!

Anne, ich danke Dir für den Gedankenanstoß und bin neugierig auf Deine Einschätzung!

Alles Liebe

Deine Anne


*Das kann auch nach hinten losgehen. Studien haben ergeben, dass es so etwas wie eine Frühstücksflockenverwirrung gibt, bei der der Kunde, überwältigt vom Angebot, gar keine Entscheidung trifft und flockenlos abzieht, bevor er das vermeintlich Falsche kauft.

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